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Cupsiege im Doppelpack

Ligacup

Was vor zwei Jahren buchstäblich in letzter Sekunde misslungen war, haben die Damen und Herren des UHCevi Gossau in diesem Jahr geschafft. Während bei den Damen im Vorfeld kein Team favorisiert werden konnte, waren im Herrenfinal die sechsfachen Cupsieger und bis heute in einem Cupfinal unschlagbaren Berner Hurricanes turmhohe Favoriten. Wir gratulieren beiden Equipen zu ihrer sensationellen Leistung! Gossau ZH, die Hauptstadt des Kleinfeldunihockeys!

Was wurde im Vorfeld des ultimativen Klassiker, dem «el clásico» im Kleinfeldunihockey nicht alles geschrieben. Für die Canes soll der Ligacupfinal ein ähnlich gesellschaftliches Ereignis sein wie in Wien der Opernball. Sollte dort womöglich ein gewisses «weisses Ballett» seinen Auftritt haben? Ein anderer «Experte» schrieb in der Verbandszeitschrift, dass die erste Dirketbegegnung vor acht Jahren die Gossauer in der Verlängerung knapp für sich entschieden hätten... Schön wär's, aber es war genau umgekehrt und der Sieg ging an die legendären Canes. Da wollen wir uns nicht mit fremden Federn schmücken. Gabriel Baldinger war der damalige Schütze zum 8:7 in der Verlängerung. Fabio Bisso, der damalige Torhüter bei den Gossauern, am Samstag unter den prominenten Zuschauern im Stadion, mochte sich noch genau daran erinnern und wollte sich die Revanche keinesfalls entgehen lassen.

Was auch immer diskutiert wurde, man freute sich auf das Spiel. Im Gossauer Lager war man bereits durch den Cuposieg der Damen euphorisiert und war bestens für den Klassiker aufgelegt. Wie erwartet traten die Gossauer in ihren traditionellen weissen Trikot auf, «das weisse Ballett» eben und wie um die Bedeutung des Klassikers noch unterstreichen, trugen die Canes als Auswärtsteam ganz nach dem Vorbild des FC Barcelona ein Trikot mit - sagen wir einmal gewöhnungsbedürftigen - Farben. Die einen sagen, dass das Gold sein soll andere sprechen eher von «bisigäub» (Originalton eines nichtgenannt sein wollenden Berners). Für nicht Berner versuchen wir die schwierige Übersetzung: auf appenzellisch wäre das «säächgääl» und auf Zürichdeutsch lassen wir es lieber bleiben.

Genug des Vorgeplänkels. Punkt 12:30 pfiff Schiedrichter Schoch die Partie an. Man sah sofort, dass man darauf bedacht war keine Fehler zu begehen und das Motto «defense first» hiess. Die Berner hatten sofort mehr Ballbesitz und liessen die Kugel geschickt laufen. Da bei Gossau die Vorsicht regierte, war auch wenig Tempo im Spiel, was den Bernern entgegenkam. Das erste Tor war dann aber nicht ein Produkt von übrragendem Zusammenspiel sondern eine geniale Einzelleistung vom «Schrecklichen». Brotschi erzielte es mit einem gekonnten und sehenswerten Airhook und das war nicht einmal unverdient.

Damit hatte Raphi Brotschi sein obligates Tor bereits früh realisiert. Im Gossauer Lager war man zwar «not amused» aber einen Brotschi-Treffer muss man immer im Budget haben. Kaum eine Minute später drohte erneut Unheil für die Zürcher. Diese waren gerade am Wechseln als die Kugel plötzlich irgendwie richtung Wechselzone kullerte und dort reflexartig vor einem anstürmenden Berner weggeschlagen wurde. Das war natürlich ein klarer Wechselfehler und Linus Widmer nahm in der Kühlbox Platz. Wer die Canes kennt, weiss auch, dass ihr Powerplay äusserst effektiv ist und Unheil drohte. D'Hooghe und Baumgartner bildeten die Box und wehrten sich nach Kräften und wie sie sich wehrten. Ein kleiner Fehler der Berner eröffnete plötzlich eine Lücke und den Opernballbesucher wurde «der fliegende Holländer» geboten: Yves d'Hooghe verwertete einen präzisen Pass von Matthias Baumgartner zum Ausgleich per Shorthander! Die Strafe war damit natürlich noch nicht ausgestanden. Das Unterzahlspiel ging weiter. Die Gossauer eroberten den Ball, wechselten Torhüter Bieri durch einen dritten Feldspieler aus und spielten so die Strafzeit routiniert herunter. Da Spiel konnte von Neuem beginnen. Und wieder waren es die Canes, die mehr Ballbesitz hatten und die Zürcher, die auf ihre Konterchance warteten. Und schon schickte Linus Widmer Yves Troxler auf die Reise, der mit einem blitzsauberen Hammer Steck keine Chance gab und die Zürcher Oberländer zum ersten Mal in Führung brachte. Als dann der unermüdlich kämpfenden Leimbacher («die grösste Kampfmaschine auf Schweizer Unihockeyfelder» wie im Verbandsorgan «Powerplay» steht) mit einem platzierten Weitschuss das 3:1 markierte, hatte sich die Nervosität auch auf der VIP-Tribüne - zumindest ein Bisschen - gelegt...

Zwar nur für kurze Zeit, den Nicky Walther sorgte dafür, dass es den Anhängern seiner Mannschaft nicht zu wohl würde und nahme wegen Haltens einen Zweiminüter. Das Penaltykilling funktionierte aber ausgezeichnet. Was aufs Tor kam, wurde eine Beute von Bieri und bei Ballbesitz Gossau verliess dieser das Tor und machte einem dritten Feldspieler Platz und so wurde auch die zweite Unterzahl-Situation schadlos überstanden. Mit 3:1 verabschiedete man sich zum ersten Tee.

Die Fachleute diskutierten beim Kaffee über das Gebotene und man war sich einig, dass wenn Gossau so spiele wie gegen Schluss des ersetn Drittels es schon gut käme, aber die routinierten Canes sicher noch irgendwelche taktischen Kniffs auspacken würde. Und darauf war man nun für das kommende Drittel gespannt.

An der Physiognomie des Spiels änderte sich vorerst nichts. Wieder eher mehr Ballbesitz für den Titelverteidiger und wenn die Herausforderer einmal die Kugel hatten, wurde manchmal etwas gar früh der Abschluss gesucht, aber in der 28. Minute fand ein solcher Abschluss für einmal sein Ziel und Steck war zum vierten Mal bezwungen. Kampfmaschine Leimbacher - die Canes sind seine Lieblingsgegenr - war erfolgreich. Und was jetzt jetzt geschah musste für die Canes ein wahrer Schock gewesen sein. Beim darauf folgenden Bully schnappte sich Linus Widmer die Kugel, hielt drauf und schon stand es nur gerade 2 Sekunden nach dem 4:1 schon 5:1! War's das schon? Nein, natürlich nicht. Vier Tore Vorsprung sind nicht Nichts aber die Canes haben in der Vergangenheit oft bewiesen, dass die vier Tore innert kürzester Frist erzielen können.  Knapp fünf Minuten beispielsweise im letztjährigen Playoff-Halbfinal gegen Gossau... Coach Krüger nahm nun in bewährter Arno del Curto Manier sein Timeout und man war gespannt auf desssen Wirkung.

Nun, die Canes arbeiteten weiter und tatsächlich gelang Markus Schwab das 5:2, ein richtig erkrampftes Tor. Viel Verkehr war um Bieri herum und in dieser unübersichtlichen Situation war es Schwab, der sich schliesslich der Kugel erbarmt und über die Linie drückte. Man sah es Markus Schwab an, dieses Tor wollte und musste er einfach machen. Ein erarbeitetes Tor, das selbst einem Arno del Curto viel Freude bereitet hätte. Aber der Aufwand für dieses eine Tor war schon gigantisch, denn Pascal Bieri brachte die Berner mal für mal zur Verzweiflung und fischte die unmöglichsten Dinge. Andrerseits waren die Zürcher immer wieder gefährlich mit Konter und so kam es dass, Martin Luchsinger nur eine Minute später den Viertoreabstand wieder herstellte. Auch auf Reto Balmers Anschlusstor hatte Vollenweider kurz vor dem zweiten Tee eine Antwort und so hielt der Viertorevorsprung zur zweiten Drittelspause.

Und wieder tauschten sich die Experten bei einem erfrischenden Bier aus. Man erwartete, dass die Canes bald einmal auf vier zu drei ohne Torhüter umstellen würden und auf diese Weise das Spiel auf ihre Seite kippen zu können. In der Vergangenheit hatten die Canes bewiesen, dass sie dieses Spiel sehr gut beherrschen würden und absolut in der Lage wären, die Zürcher noch einmal zu beunruhigen. Falls die Berner aber im gleichen Trott weitermachen würden, sie keine Chance gegen die zunehmend souveräner spielenden Zürcher hätten.

Dass die Berner fürs letzte Drittel den jüngeren Burri anstelle des routinierten Stecks ins Tor stellten, bestätigte die Expertenmeinung. Denn offensichtlich erwartete den Torhüter ein grösseres Laufpensum zwischen Tor und Spielerbank. Aber mit dem 4:3 Spiel ging es noch nicht los. Noch nicht alle Zushauer hatten nach dem zweiten Kaffee ihre Plätze wieder eingenommen als Schiedsrichter Schoch einen Penalty gegen die Canes verhängte. Erstaunlicherweise hielten sich die Reaktionen der Canes darauf in engen Grenzen. Das hatte in der Vergangenheit anders ausgesehen, aber diese Erkenntnis war neu. Damit wurden selbst die Experten überrascht. Bei Markus Schwab will man gar ein Lächeln gesehen haben... James Bücheler nahm Anlauf. Und da realisierte man plötzlich, dass James bis jetzt noch gar nicht gespielt hatte. Er wurde Opfer seines eigenen Erfolgs. Damen-Headcoach Bücheler hatte nach dem Cupsieg seiner Damen und dem Beginn des Herrecupfinal zuwenig Zeit, um sich richtig einzulaufen und eine leichte Zerrung war die Folge. Die medizinische Abteilung beim UHCevi Gossau riet James um die Playoffs nicht zu gefährden zu pausieren. Aber für einen Penalty sollte es trotzdem gehen.

Und es ging! Souverän wurde Burri verladen und der Ball zappelte zum 8:3 im Netz (Das 200. Jubiläum-Goal im ewigen Zweikampf Canes-Gossau). Jetzt waren es schon fünf Tore Differenz und eine heftige Reaktion der Canes wurde erwartet. Allerdings dauerte es noch über fünf Minuten bis die Berner ihr gefürchtetes 4:3 aufzogen. Und die Taktik zeigte Wirkung. In gerademal gut zwei Minuten wurde aus dem komfotablen 8:3 wieder ein bedrohliches 8:6. Balmer, Luginbühl und Schwab hatten getroffen. Es waren hart erarbeitete Treffer, beim letzten waren nicht einmal alle sicher, ob der Ball mit vollem Umfang hinter der Linie gewesen wäre. Schiri Schoch stand aber ausgezeichnet und entschied sofort auf Tor. Ein klärendes Video wollen wir da gar nicht bemühen... Es stand also nur noch 8:6 und das Zittern bei den Zürcher Anhängern hatte wieder beonnen, nicht aber bei den Akteuren auf dem Platz. Sie spürten, dass die Aufholjagd der Canes viel Kraft gekostet hatte. Sie warteten geduldig auf Fehler der Berner, um die Konterchaance wahr zu nehmen. Zweimal Vollenweider und Zweimal Luchsinger waren darauf im Minutentakt erfolgreich und beim Stande von 12:6 fünf Minuten vor Ende schien jetzt nichts mehr anzubrennen. Den Bernern fehlte nun die Energie und d'Hooghe und Linus Widmer erhöhten noch auf 14:6. Als bei diesem Stand auch die Gossauer ihren Torhüter herausnahmenn und 4:3 spielten war das schon beinahe arrogant. Aber wenn man keine Tore mehr erzielen muss, ist das eine ganz praktische Sache, das Ding heimzuschaukeln.

Damit war auch der zweite Pflasterstein (früher waren das noch Pokale) für Gossau im Trockenen. Die Freude über den dritten Ligacupsieg war riesengross und vor allem hatte man damit den Damen - nicht wie vor zwei Jahren - mit einer Cupfinalniederlage die Freude getrübt. Gemeinsam feierte man ausgiebig. Zunächst bei den Grossfeldcupfinals und anschliessend... aber darüber braucht es keinen Bericht.

Die Berner Hurricanes wurden ihren Nimbus der Unschlagbarkeit in einem Cupfinal los. Bei der siebten Teilnahme verliessen sie zum ersten Mal die Halle als zweite Sieger. Sie weisen aber mit sechs Siegen und sieben Finalteilnahmen nach wie vor Rekordwerte auf. Und es wurde einmal mehr bestätigt, dass die Auseinandersetzungen zwischen den Berner Hurricanes und dem UHCevi Gossau zum Besten, Spannendsten und Emotionalsten gehört, was das Kleinfeldunihockey zu bieten hat. Wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen möglicherweise bereits in den kommenden Playoffs.

Nach der rauschenden Feier geht es nun aber mit den Playoffs schon am nächsten Wochenende weiter. Die Canes treffen auf Schweizermeister Lengnau und Gossau auf Mümliswil. Nachladen heisst nun die Devise. Wir sind überzeugt, dass das - auch wenn die Experten das als schwierig bezeichnen - dem UHCevi Gossau gelingen wird und wir in diesem Frühling noch manch spannendes Playoffspiel geniessen dürfen. Gossau rockt!

Matchtelegramm
UHCevi Gossau – Berner Hurricanes 14:6 (3:1, 4:2, 7:3)
Wankdorfhalle, Bern. – 800 Zuschauer. – SR Schoch.
Tore: 6:38 Brotschi 0:1, 7:59 D'Hooghe (Baumgartner) 1:1, 12:31 Troxler (L. Widmer) 2:1, 17:11 Leimbacher (Baumgartner) 3:1;
27:45 Leimbacher (Baumgartner) 4:1, 27:47 L. Widmer 5:1, 30:45 Schwab 5:2, 31:02 Luchsinger (L. Widmer) 6:2, 35:50 Balmer (R. Luginbühl) 6:3. 38:11 Vollenweider 7:3;
40:46 Bücheler 8:3 (Penalty), 48:08 Balmer (Schwab) 8:4, 49:08 R. Luginbühl (Suter) 8:5, 50:24 Schwab 8:6, 51:40 Vollenweider 9:6, 52:59 Vollenweider 10:6; 53:54 Luchsinger 11:6; 54:34 Luchsinger 12:6, 56:47 D'Hooghe 13:6, 57:09 L. Widmer 14:6.
Strafen: UHCevi Gossau 2-mal 2 Minuten Strafen, Berner Hurricanes keine.
UHCevi Gossau: Bieri; Luchsinger, Bücheler, L. Widmer; Vollenweider, Keller, Walther; Leimbacher, Baumgartner, d'Hooghe; Troxler, Wintsch; Diener.
Berner Hurricanes: Steck (ab 41. Burri); Flury, Balmer, Suter, Glauser, Koch, Schwab, Zurflüh, Luginbühl, Moesch, Lüthi, Eichenberger, Brotschi.
Bemerkungen: Gossau ohne B. Widmer (Ferien); 27:47 Timeout Canes; Bestplayer: Reto Balmer (Canes), Pascal Bieri (Gossau).