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Ligacup-Sieg nach Hitchcock-Final

Ligacup

Zugegeben, auch der Schüleraufsatzschreiber überlegte sich in der zweiten Drittelspause, wie er die sich abzeichnende Niederlage im Cupfinal erklären sollte, wie stark der UHC Kappelen spielte, ausgesprochen diszipliniert in der Defensive und äusserst effizient im Nützen der Torchancen. Aber es kam glücklicherweise noch ein Drittel, das alles Geschehene noch auf den Kopf stellen sollte...

Noch im Interview mit dem Zürcher Oberländer rühmte Captain Matthias Keller die einmalige Cupfinal-Atmosphäre und wie motivierend es sei, vor 500 Zuschauern zu spielen. In Tat und Wahrheit waren aber an diesem Samstagnachmittag über 1'200 stimmgewaltige Fans dabei, und man hatte den Eindruck, dass neben der gewiss stattlichen Gossauer Delegation, wohl die ganze Gemeinde Kappelen den Weg ins Wankdorf gefunden hätte. Die statistischen Zuschauerzahlen der vergangenen Jahre stehen uns zwar nicht zur Verfügung, aber die 1200 dürften wohl eine rekordwürdige Kulisse dargestellt haben. Die Anhänger beider Teams sollten aber auch in den Genuss eines hochklassigen und an Dramatik kaum zu überbietenden Kleinfeld-Cupfinals kommen.

Als SR Strähl um 12:30 das Spiel freigab, sah man zunächt einen UHCevi Gossau der sofort bereit war, und mit gefühlten 70 zu 30% Ballbesitz das Spiel zu kontrollieren versuchte. Dabei war man darauf bedacht, defensiv solide zu stehen und möglichst keine Fehler zu begehen. Um dieses Ziel zu erreichen, beschränkte man sich zunächst auf den ersten und zweiten Block. Kappelen auf der anderen Seite hatte sich denfensive Disziplin genauso auf die Fahne geschrieben, stand sehr gut und liess nur wenig zu. Es wunderte deshalb niemand, dass es mehr als 10 Minuten nichts Zählbares zu notieren gab. Aber dann war es Matthias Otti, der einen der wenigen Fehler in der Gossauer Defensive ausnützte und seine Farben in Führung schoss. Keine zwei Minuten später war dann Hürlimann mit einem Energieanfall erfolgreich und bedeutete mit seinem Ausgleichstreffer, dass nun auch die Zürcher Oberländer in der Partie angekommen wären. Die Freude über den Ausgleich dauerte nicht lange, als Nicky Walther nur noch Gröberes verhindern konnte, indem er einen Penalty verursachte. Dieser wurde von Fabian Zesiger souverän an Bieri vorbeigechipt und die Seeländer lagen wieder vorne. Dies gab diesen sehr viel Selbstvertrauen und die Zürcher verloren etwas den Faden. Das 4:1 war die Folge davon und auf der VIP-Tribüne gabe es bereits gewisse Sorgenfalten. «Wenn nicht vor der Pause noch ein Tor kommt, sieht es trübe aus», meinte man und als ob es Yves d'Hooghe gehört hätte, überraschte er Torhüter Marolf, dem die Sicht verdeckt war, mit einem Weitschuss kurz vor dem ersten Tee.

Zwei Tore Rückstand sind bekanntlich im Kleinfeldunihockey keine Garantie für den Sieg, aber die Kappeler hatten doch einen sehr starken Eindruck hinterlassen. Trotzdem war man zuversichtlich, dass den verantwortlichen Coaches noch etwas einfallen würde, um wieder ins Spiel zu kommen.

Im zweiten Drittel aber zeigte der UHCevi Gossau, abgesehen davon, dass die Blöcke wild durcheinander geschüttelt wurden, kein neues Gesicht. Die beiden Teams verbissen sich wieder ineinander und das Resultat blieb unverändert bis Keller hartnäckig die Kugel verteidigte. Es sprach für die sorgfältige Matchvorbereitung der Seeländer, dass sie wussten, dass Keller, Assistkönig der Gossauer in der Regular Season geworden war, und so nahmen sie ihm folgerichtig alle Abspieloptionen. Dadurch tat sich aber eine Lücke auf und Keller zimmerte das Runde wunderschön ins obere rechte Dreieck. Gossau war wieder dran. Aber auch dieses Tor brachte nicht den gewünschten Schwung. Kappelen reagierte und vergrösserte den Vorsprung zunächst auf 5:3 und nach einer nicht gepiffenen Regelwidrigkeit gar auf 6:3. DIe Felle schienen davon zu schwimmen, umso mehr die Seeländer versuchten, den Vorsprung zu verwalten, den Ball hinter dem eigenen Tor monpolisierten und die Zürcher kaum ein brauchbares Rezept dagegen fanden. So endete das zweite Drittel und der Dreitorerückstand gab manchem zu denken.

Jedenfalls der Kaffee in der Pause schmeckte deshalb nicht besonders gut (Das ist absolut kein Vorwurf an die Veranstalter). Man war sich aber unter den Experten einig, dass nur ein Wunder dem UHCevi Gossau noch helfen könnte.

Doch  zu Beginn des letzten Drittels sah man plötzlich einen anderen Titelverteidiger. Captain Keller hatte sich den Traineroberteil wieder angezogen und funktionierte nun als Coach. Als erste Massnahme erschien Patrick Diener anstelle von Pascal Bieri im Tor. Nicht etwa, dass dieser schlecht gespielt hätte, sondern um der Mannschaft zu signalisieren, dass man überhaupt noch nicht fertgig habe und das Unmögliche noch möglich machen wolle. Diese Massnahme zeigte bekanntlich schon 2007 ihre Wirkung als damals die Torhüter Legende Jonas Knoll den untadeligen Philippe Heusser ersetzte und wesentlich dazu beitrug, dass Gossau damals seinen ersten Cupsieg feiern konnte. Nun, Leimbachers 6:4 war ein erster Ertrag aber eine Minute später stellte Kocher wieder den Dreitoreabstand her. Aber irgendwie hatte man plötzlich das Gefühl, dass das noch nicht das Ende wäre. Die Zürcher blieben aufsässig, störten früh und provozierten die Berner zu Fehlern. Und das wurde belohnt. Hürlimann, Bücheler und Wintsch trafen für Gossau und plötzlich war der Ausgleich da. Kappelen wankte, aber es fiel nicht. Und dann brachte Hürlimann - immer wieder er - seine Farben zum ersten Mal in Führung. Acht Minuten waren noch zu spielen und Kappelen sah sich genötigt, sein Timeout zu beziehen. Nun musste plötzlich die Strategie gewechselt werden, denn jetzt brauchte es Tore gegen die zunehmend sicherer agierenden Zürcher. Das 9:7 schien nur noch eine Frage der Zeit und als es Matthias Baumgartner erzielte, wurde es nicht gegeben. Es sollte ein Kicktor gewesen sein, aber verschiedene Augenzeugen bestätigten, dass der Ball von Baumgartners Schuh abgeprallt wäre, ohne dass eine Kickbewegung stattgefunden hätte... Knapp drei Minuten vor Schluss war dann aber wieder Kappelen am Zug: Mit einem Doppelschlag von Hügli und Otti lagen plötzlich wieder die Seeländer vorne. Jetzt war es an Gossau, das Timeout zu nehmen. Es war schon klar, dass jetzt das vier zu drei ohne Torhüter folgen würde und so war es. Es gelang darauf dem Titelverteidiger sehr viel Druck zu entwickeln und das Kappeler Tor wurde richtig gehend belagert. Und tatsächlich: 19 Sekunden vor Schluss hämmerte Wintsch die Kugel unhaltbar in den Torhimmel und schoss damit sein Team in die Verlängerung.

Nun war natürlich alles wieder offen. Fünf weitere Minuten Hochgeschwindigkeitsunihockey standen noch bevor. Und die Zürcher nahmen den Schwung gleich mit und hatten wieder vermehrt Ballbesitz, scheiterten aber immer wieder an schlecht platzierten Schüssen oder am ausgezeichneten Torhüter Marolf. Dazwischen fuhren die Kappeler den einen oder anderen gefährlichen Konter, aber Schaden konnte keiner mehr angerichtet werden und so musste das Penaltyschiessen über den Ligacupsieg entscheiden.

Auf der Expertentribüne erinnerte man sich bereits wieder an die letztjährigen Playoff-Spiele, in welchem die Kappeler als ausgezeichnete und sichere Penaltyschützen aufgetreten waren und nicht zuletzt, wie cool Fabio Zesiger seinen Strafstoss im ersten Drittel verwertet hatte, liess Böses ahnen. Zudem ist Patrick Diener dem breiten Publikum nicht als der ultimative Penaltykiller bekannt!

Aber es kam wieder einmal anders. Zwar ging Kappelen gleich mit dem ersten Penalty in Führung, der erst mit dem dritten Penalty der Gossauer ausgeglichen wurde. Wintsch verwertete auf unkonventielle Art äusserst souverän und beim nächsten Penalty traf Hürlimann sicher zum 2:1. Nun hatte plötzlich Gossau zwei Matchbälle. Entweder pariert Diener den Versuch von Otti oder Bücheler verwertet den Seinigen. Optimismus machte sich nun plötzlich auch in der VIP-Lounge breit, denn Bücheler hatte ja vor einem Jahr im Cupfinal schon einen Penalty äusserst sicher versenkt. Nun, Matchball Nummer eins wurde abgewehrt. Der beste Kappeler, Otti verwandelte aus spitzem Winkel und Matchball zwei - das passte zu diesem Spiel - wurde auch vergeben. Das Shootout musste in die Verlängerung. Kevin Hügli - zuvor noch sicherer Schütze - nahm Anlauf und scheiterte an Diener, der nun seine Penaltykillerfähigkeiten vor einem grossen Publikum eindrücklich zeigen und alle Experten eines Besseren belehren konnte . Und dann kam Hü. Eiskalt verwertete er und krönte seine Superleistung an diesem Nachmittag mit dem Gamewinner. Er wäre sich ganz sicher gewesen zu treffen, meinte Thomas Hürlimann danach und Captain Keller schob nach, dass man teamintern gewusst habe, dass Torhüter Diener im 1:1 besonders gut sei. 

Die Freude über den vierten Cupsieg und den zehnten Titel insgesamt war natürlich riesig und es sollte noch lange gefeiert werden. Die Enttäuschung des UHC Kappelen war verständlich. Noch selten war eine Mannschaft so nahe am Titel und die Silbermedaille liess der eine oder andere schnellstmöglich wieder verschwinden. Aber Kappelen hat einen grossartigen Kampf gezeigt, sie haben sich gegenüber dem letztjährigen Playoff-Final noch einmal gesteigert und sind zu einer festen Grösse in der Kleinfeldszene herangewachsen, die nur sehr schwer zu bezwingen ist. Heute hat wirklich nur das kleine Quentchen Glück gefehlt.

Lange feiern können weder die erfolgreichen Titelverteidiger noch der Cupfinalist aus dem Seeland. Am nächsten Wochende stehen bereits die nächsten Herausforderungen in den Playoff-Viertelfinals auf dem Programm. Kappelen empfängt Wild-Goose Wil-Gansingen und ist dabei klarer Favorit. Gossau bekommt es wie letztes Jahr mit dem UHC Mümliswil zu tun. Wir freuen uns auf spannende Playoffs.

Bericht ZO vom 3.3.2014
 

Matchtelegramm
UHC Kappelken - UHCevi Gossau 9:10 (4:2, 2:1, 3:6, 0:1)
Wankdorfhalle, Bern. – 1200 Zuschauer. – SR A. Strähl.
Tore: 10:04 Otti (Wüthrich) 1:0, 11:45 Hürlimann (Bücheler) 1:1, 12:06 Zesiger 2:1 (Penalty), 14:42 Kocher 3:1, 16:20 Reusser (K. Hügli) 4:1, 19:21 D'Hooghe (Walther) 4:2;
25:44 Keller 4:3, 26:25 K. Hügli 5:3, 28:08 Otti (Schlup) 6:3;
42:36 Leimbacher (D'Hooghe) 6:4, 43:43 Kocher (Baumann) 7:4, 45:42 Hürlimann (Bücheler) 7:5. 48:50 Bücheler (L. Widmer) 7:6, 51:00 Wintsch (Baumgartner) 7:7, 52:11 Hürlimann (Bücheler) 7:8, 57:11 K. Hügli 8:8, 57:53 Otti (Wüthrich) 9:8, 59:41 Wintsch (Hürlimann) 9:9. 
Penaltyschiessen: K. Hügli trifft 1:0. Vollenweider verschiesst. Ritter verschiesst. Keller verschiesst. Zesiger verschiesst. Wintsch trifft 1:1. Sollberger verschiesst. Hürlimann trifft 1:2. Otti trifft 2:2. Bücheler verschiesst. K. Hügli verschiesst. Hürlimann trifft 2:3.
Strafen: keine Strafen
UHCevi Gossau: Bieri (ab 41. Diener); Hürlimann, Bücheler, L. Widmer; Vollenweider, Keller, B. Widmer; Wintsch, d'Hooghe, Walther; Leimbacher, Baumgartner, Ehrensperger.
UHC Kappelen: Marolf; Kocher, Zesiger, Schlup, Weber, Wüthrich, Reusser, Sollberger, Bürgi, Ritter, Hügli, Baumann, Otti; Bangerter
Bemerkungen: 52:11 Timeout Kappelen, 57:53 Timeout Gossau.