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Sensationell - zum 8. Mal Schweizermeister

Playoff

«Thriller mit Happy End» - aus Sicht der Goassauer natürlich -, das hätten nicht einmal die renommiertesten Hollywood Regisseure hingekriegt, oder dann wäre ein entsprechendes Drehbuch mit dem Vermerk «zu realitätsfremd» zurückgewiesen worden. Doch genau das erlebten die zahlreichen - 522 ergab die Berechnung mit dem Alligatoren Algorithmus - Zuschauer an diesem trüben Samstagnachmittag im April. Die Hälfte des Spiel war schon vorbei, eben hatte Nicky Walther zum 10:2 für Gossau getroffen und alle Experten waren sich einig, dass die Kuh gemolken und der Mist geführt wäre. Einen 8 Tore-Rückstand hat in 20 Jahren seit der Gründung des UHCevi Gossau keine Mannschaft wettmachen können. Nein, ein Comeback der Cazner konnten sich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal die Bündner Anhänger vorstellen, umso mehr als die Verunsicherung beim Heimteam offensichtlich war. Sinnbildlich dafür der dreimalige Goaliwechsel. Dann nahm Coach Mirco Schatz sein Timeout, die Blau-Gelben sollten in der Folge fast 30 Minuten bei eigenem Ballbesitz ohne Torhüter spielen. Die Massnahme hatte Erfolg. Der sichere Vorsprung der Zürcher Oberländer schmolz wie Schnee an der Frühlingssonne und nach Ablauf der regulären Spielzeit stand es tatsächlich 15:15. Das Momentum nun bei den Caznern und jetzt waren sich dieselben Experten sicher, dass in der Verlängerung Cazis seiner Favoritenrolle gerecht werden und die alles entscheidende Belle am Sonntag in Wetzikon erzwingen würde. Doch in der Verlängerung kam «Superlini» Linus Widmer, der die Kugel eiskalt ins Bündner Tor hämmerte und seine Farben ins Reich der Glückseligkeit schickte.

In der Woche zwischen dem ersten und zweiten Spiel traten die routinierten Spieler der Zürcher Oberländer immer wieder auf die Euphorie-Bremse. Mit einem Sieg könne man sich gar nichts kaufen und einen Sieg hätten sie vor einem Jahr gegen Kappelen auch gehabt und hätten dann alles verloren. Ein ganz hartes Stück Arbeit würde noch bevorstehen. Blau-Gelb Cazis bleibe der Favorit in der Serie, und sie hätten in Wetzikon einen ganz schlechten Tag eingezogen. Bestimmt würden sie sich nicht mehr derart überraschen lassen.

Die Überraschung war dann aber als das Spiel begann, dass der Auftritt der Cazner demjenigen im ersten Drittel von Wetzikon verdächtig nahe kam. Die glänzend vorbereiteten Gossauer übernahmen gleich die Initiative, kombinierten sich mit schnellem und präzisem Spiel durch die blau-gelben Reihen, nutzten aber auch Fehler gnadenlos aus, und die Zürcher Anhänger rieben sich die Augen beim Blick auf die Anzeigetafel, welche bei Drittelsende ein 6:1 für Gossau anzeigte. Nicht nur der erste Block mit d'Hooghe, Keller und Linus Widmer, sondern auch der zweite mit Bücheler, Voegtli und Baumgartner wiesen eine saubere 3:0 Bilanz auf. Nach dem Doppelschlag von Linus Widmer und Thomas Voegtli zum 4:0 und 5:0 wechselten die Steinböcke zum ersten Mal ihren Torhüter aus: Calörtscher kam für Koch! Gossau agierte - mindestens was die zwei ersten Blöcke betrifft, im dritten spielte Vollneweider anstelle von Frauchiger - mit denselben Formationen wie vor einer Woche, während Cazis überraschenderweise anstelle von Hänse Mathis Neuhaus im ersten Block neben Capatt und Ilmer auflaufen liess und im zweiten Block neben Koch und Maurer der vor einer Woche unabkömmliche Bebi zurückkehrte. Im dritten Block sollten Fausch mit den beiden Muotathalern Wyler und Betschart wirbeln.

1:6 war natürlich für die Favoriten eine Klatsche. Die ganz optimistischen Anhängern der Zürcher wollten schon von einer Vorentscheidung sprechen, die Vorsichtigeren warnten jedoch, wiesen darauf hin, dass immerhin noch zwei lange Drittel bevorstünden und auf der Cazner Bank mit u.a. Maurer, Marugg, Nold und Mathis noch viel Power in Reserve wären. Das war natürlich deutlich mehr, als bei Gossau, obwohl auch die langzeitverletzten Leimbacher und Hürlimann plötzlich einsatzbereit schienen. Ob hier eine wundersame Heilung stattgefunden hat oder ob es nur ein ganz raffinierter Griff in die Playoff-Trickkiste war, wird niemals schlüssig beantwortet werden können.

Cazis erschien dann tatsächlich mit modifizierten Blöcken zurück zum zweiten Drittel. Nold ersetzte Neuhaus und der vermisste Hänse Mathis agierte nun mit Fausch und Betschart. Die Massnahmen schienen zunächst Wirkung zu zeigen. Kurz nach Wiederbeginn musste Bücheler regelwidrig ein Tor verhindern und verursachte einen Penalty. Andy Wyler, ein sonst sicherer Schütze, nahm Anlauf und scheiterte an Bieri. Der schlaue Fuchs im Gossauer Tor bewegte sich einfach nicht und gab Wyler nicht die Gelegenheit die andere Ecke zu wählen, und dann war es plötzlich zu spät. Das kümmerliche Schüsschen bereitete San Bieri keine Probleme. Das anschliessende Powerplay aber nutzten die Bündner durch den im ersten Drittel vermissten Mathis. Das Bündner Strohfeuer war damit vorbei. Im drei zu drei brachten sich nichts Zählbares zustande,  ganz im Gegenteil, Gossaus Nicky Walther eröffnetet mit dem 7:2 nun auch die Skorerliste des dritten Blocks, Playoff-Topskorer d'Hooghe erhöhte im Powerplay auf 8:2 - Thomas Ilmer war in der Kühlbox zu Besuch -, und mit einem Doppelschlag innert acht Sekunden durch Baumgartner und noch einmal Walther stand das Skore kurz nach Hälfte des Spiels 10:2. Gossau im Rausch, Cazis kurz vor der Auflösung? Mitnichten, das war wohl nur die unmassgebende Meinung der Fachleute. Coach Mirco Schatz musste nun sein Timeout nehmen. «Der wird doch nicht schon auf 4:3 umstellen?» dachten nun dieselben Experten, denn mit dieser Taktik konnten die Heinzenberger vor einer Woche ihre Widersacher zumindest ärgern. Aber beinahe ein halbes Spiel mit 4:3, geht das überhaupt? Und tatsächlich, Koch - oder war es Calörtscher? - machte bei Cazner Ballbesitz einem vierten Feldspieler Platz. Capatt, Ilmer hinten, Betschart und Wyler vorne zogen nun ihr gefürchtetes Spiel auf, und aus dem 2:10 wurde plötzlich ein 6:10. Das Risiko zahlte sich aus, denn die Gossauer hatten mit ihren Versuchen aufs leere Tor kein Glück, und dann war es an den Zürchern, ihr Timeout zu nehmen. Auch dieses zeigte Wirkung. Ehrensperger und Linus Widmer - immer wieder er - konnten noch vor Drittelsende zweimal reüssieren, sodass der Vorsprung dank dem 12:6 noch um ein Tor gegenüber dem Resultat nach dem ersten Drittel vergrössert werden konnte.

Nun hatten auch die Vorsichtigeren unter den Zürcher Anhängern den Eindruck, dass die Aussenseiter über genügend Routine verfügen würden, um sich nicht mehr die Butter vom Brot nehmen zu lassen.

Die Zuversicht stieg, als dann zu Beginn des vermeintlich letzten Drittels Bücheler auf 13:6 stellte. Was sollte da noch schief gehen? Cazis powerte weiter mit 4:3, Gossau blieb dran, und es waren noch gut acht Minuten zu spielen, als die Zürcher Oberländer immer noch solide 15:10 vorne lagen. Und jetzt nahm das Drama seinen Lauf, irgendwie schien das Nervenkostüm der Gossauer immer dünner zu werden. Immer wieder versuchten sie unmittelbar nach einer Balleroberung, das leere Tor anzuvisieren und scheiterten immer wieder. Und es kam was kommen musste: Bebi, Mathis, Capatt, Ilmer und noch einmal Bebi 57 Sekunden vor Schluss der regulären Spielzeit schafften das Unmögliche und die Anzeigetafel zeigte unmissverständlich 15:15. Verlängerung!

Es sah nicht gut aus für die Zürcher, oder lag noch etwas in der Taktikkiste für die Verlängerung bereit?

Jeder wusste, dass das folgende Bully äusserst wichtig werden würde. Gossau brachte seinen Playoff-Parade Block: d'Hooghe, Keller und L. Widmer, Erfahrung pur, gestählt durch zahlreiche Playoff-Schlachten trat an und der Plan ging auf. Der Ball wurde erobert. Cazis konnte den Torhüter nicht herausnehmen und nun zeigte sich, was Erfahrung heisst. Der Ball zirkulierte gekonnt in den eigenen Reihen, abgeschlossen hätten sie nur bei ganz klaren Gelegenheiten. Diese gab es bis zum nächsten Wechsel aber nicht. Auch der zweite Block liess sich die Kugel nicht abluchsen, liess den Ball ebnso gekonnt zirkulieren bis die Paradeformation wieder auf den Plan trat. Die Taktik blieb dieselbe und dann ging es plötzlich schnell. Freistoss Gossau, Linus Widmer spielt kurz auf d'Hooghe und sprintet auf die andere Seite, wo er goldrichtig stand, um die Kugel von d'Hooghe perfekt serviert mit einem Onetimer ins Netz zu hämmern. Aus, vorbei, Ende, Schweizermeister, zum achten Mal!

Jetzt brachen alle Dämme und die Zuschauer machten sich nun echte Sorgen um Linus Widmer, auf den sich alle seine Kameraden stürzten. Unglaublich, der Aussenseiter hatte das starke Cazis im Final 2:0 weggesweept!

Andy Wyler und Matthias Keller wurden zu Bestplayers gewählt und nachdem die Bündner ihre Silbermedaille empfangen hatten und die Gossauer sich mit Gold schmücken liessen, kam der grosse Moment der Pokalübergabe. Auch wenn es schon der achte Meisterpokal war, diesen zu erringen war so schön wie bei allen sieben Vorangegangen. Und das am Ende ein Goldengoal ausschlaggebend war, wird noch lange für Gesprächsstoff sorgen.

Cazis war ein würdiger und fairer Finalgegner und wird auch künftig in der Kleinfeldszene ganz oben nicht nur mitspielen. Auch die Organisation in der Lust-Halle von Maienfeld war vorbildlich, und es macht immer wieder Spass, Anlässe, die von Cazis organisiert werden, zu besuchen, nicht zuletzt wegen Kultspeaker Theo!

Schliesslich soll hier auch noch den zahlreichen Fans, welche in der Lust-Halle für eine tolle Heimspielatmosphäre sorgten, gedankt werden. Ihr wart einfach grossartig!

Damit verabschiedet sich auch der Schüleraufsatzschreiber von der Berichterstattung über die Spiele der Damen und Herren der Saison 2015/16. Denn jetzt hat er genug geschrieben und hat Lust auf - was wohl? - auf ein feines Glas Maienfelder! Viva UHCevi Gossau!

Andy Wylers lesenswerter Spielbericht auf der Cazner Homepage
 

und Reto Voneschens Sicht der Dinge auf unihockey.ch
 

sowie der Beitrag von Raphael Mahler im Zürcher Oberländer.
 

Auch bei unserem langjährigen Sponsor, der Stocker AG, blieb der Titel nicht unbemerkt!

Sogar der Gemeinde Gossau ZH ist der Triumph nicht entgangen!

Matchtelegramm

Blau-Gelb Cazis - UHCevi Gossau 15:16 (1:6, 5:6, 9:3)
Turnhalle Lust, Maienfeld. 522 Zuschauer. SR Preisig. 

Tore: 3. (2:03) Keller (D'Hooghe) 0:1, 6. (5:23) Baumgartner 0:2, 12. (11:31) Voegtli (Bücheler) 0:3, 13. (12:14) L. Widmer (Keller) 0:4, 13. (12:53) Voegtli (Baumgartner) 0:5, 16. (15:10) Bebi 1:5, 19. (18:25) L. Widmer (Keller) 1:6;
22. (21:27) Mathis (Capatt) 2:6 (PP), 22. (21:54) Walther (Vollenweider) 2:7, 28. (27:37) D'Hooghe (Keller) 2:8 (PP), 32. (31:03) Baumgartner (Bücheler) 2:9, 32. (31:11) Walther (Ehrensperger) 2:10, 32. (31:24) Betschart (Wyler) 3:10 (4:3), 33. (32:56) Wyler (Capatt) 4:10 (4:3). 37. (36:21) Maurer (Capatt) 5:10 (4:3), 38. (37:02) Capatt (Ilmer) 6:10, 38. (38:00) Ehrensperger (Bücheler) 6:11 (EN). 39. (38:18) L. Widmer (Bieri) 6:12;
41. (40:45) Bücheler (Bieri) 6:13 (EN), 44. (43:07) Ilmer (Bebi) 7:13 (4:3), 45. (44:57) Wyler (Bebi) 8:13 (4:3), 47. (46:48) Maurer (Mathis) 9:13 (4:3). 48. (47:50) Baumgartner 9:14 (EN), 49. (48:01) Wyler (Maurer) 10:14 (4:3), 52. (51:19) L. Widmer (Baumgartner) 10:15 (EN), 54. (53:20) Bebi (Mathis) 11:15 (4:3), 55. (54:06) Mathis (Bebi) 12:15 (4:3), 59. (58:06) Ilmer (Bebi) 13:15 (4:3), 59. (58:38) Capatt (Ilmer) 14:15 (4:3), 60. (59:03) Bebi (Wyler) 15:15 (4:3);
62. (61:26) L. Widmer (D'Hooghe) 15:16.
Strafen: 1mal 2 Minuten gegen Blau-Gelb Cazis (Ilmer), 1mal 2 Minuten gegen UHCevi Gossau (Bücheler). 
Cazis: A. Koch, Calörtscher; Capatt, Neuhaus, Ilmer; B. Koch, Bebi, Maurer; Fausch, Betschart, Wyler; Mathis, Nold, Marugg, Werthan, Rüttimann, Bundi. 
Gossau: Bieri; d'Hooghe, Keller, L. Widmer; Bücheler, Voegtli, Baumgartner; Vollenweider, Walther, Ehrnesperger. 
Bemerkungen: Gossau ohne Diener, Leimbacher, Frank, Frauchiger, B. WIdmer, Hürlimann (ünerzählig) und Wintsch (verletzt). 21:05 Bieri hält Penalty von Wyler, 31:11 Timeout Cazis, 37:02 Timeout Gossau. Bestplayers: Andy Wyler (Cazis), Matthias Keller (Gossau)